Anonyme Anzeigen, so scheint es, sind das neue Hobby der Politik in Thüringen. Ein angeblicher Mitarbeiter des Datenschutzbeauftragten zeigt anonym seinen Chef an, wenige Tage vor dessen von r2g angestrebter Wiederwahl für weitere sechs Jahre. Der wollte sich auch die AfD nicht verweigern. Die Regierungsparteien exkulpierten das SPD-Mitglied in einem Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses 6/2; lange bevor der seine Beweisaufnahme wegen möglicher Amtsverfehlungen abschließen konnte. Die CDU verlangte die Absetzung der Wahl, sie unterlag mit ihrem Antrag im Parlament. In der nachfolgenden Aussprache zur Wiederwahl bescheinigten Koalitionsabgeordnete dem Juristen beste Arbeit und, man wähle im übrigen einen Datenschutzbeauftragten und nicht einen Beauftragten für das Aktenlager in Immelborn. Das kann man wohl ein ungewolltes, indirektes Eingeständnis für Verfehlungen in dieser Sache nennen. Die 18-seitige Anzeige, die breit an die Medien und an alle Landtagsfraktionen gestreut wurde, ist sorgfältig begründet. Was ein Staatsanwalt und gegebenfalls ein Richter darin sieht, ist offen. Wenn alle Stricke reißen, hat r2g ein ordentliches Problem.
Im gebührenden Abstand wurde jetzt eine Anzeige gegen einen CDU-Landtagsabgeordneten lanciert, oder, um es in der falschen Diktion des Anzeigenschreibers auszudrücken, fingiert. Auch anonym, auch mit Verweis auf den Arbeitsort. Dieses Mal die CDU-Landtagsfraktion. Über eine Woche habe er aus falscher Loyalität dazu geschwiegen, dass bei der CDU-Klausur in Volkenroda der Plan ausgeheckt und wenig später am Anzeigentext redigiert wurde, schreibt Anonymus. Ein weiteres Verschweigen könne er „nicht mehr mit meinen (sic) Gewissen vereinbaren“. Aber sein Gewissen differenziert. Ihm befreundete, mit der Erarbeitung der Anzeige befasste Fraktionsmitarbeiter belässt er in der Anonymität. Ein weiterer Abgeordneter, der den Anzeigentext gegen den Datenschutzbeauftragten verbessern ließ, „damit das Schreiben noch „echter“ aussieht und nicht sofort als Fälschung zu erkennen“ sei, bleibt ebenfalls von ihm unbehelligt. Angeblich in den Text hineinredigierte Veränderungen finden sich in der Anzeige gegen den Datenschützer nicht. Vorgebliche Korrekturen falscher Zahlen finden sich auch nicht wieder. „Zum Beispiel war in einer ersten Fassung auf Seite 9 die Zahlenangabe 1.657,44 € im letzten Absatz durch ein falsches Komma wie folgt vertauscht „1.65,744 €“, heißt es in der Anzeige gegen den CDU-Abgeordneten. Nur, die Zahl findet sich nicht. Aber die Zahl 1.657.14 €. Schusseligkeiten, ob gewollt oder eher doch ungewollt, weiß nur der Autor.
In der CDU-Fraktion heißt es zu der jüngsten Anzeige, sähe man Anlass, Anzeigen zu erstatten, würde man das tun. „Im Bezug auf den Datenschutzbeauftragten wäre dies zu entscheiden, wenn die Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss Immelborn abgeschlossen ist.“ So bleibt die Frage, wozu soll ein Landtagsabgeordneter eine anonyme Anzeige lancieren. Um Alarm zu schlagen hat er das Plenum. Selbst wenn es um einen Amtsträger geht, zu dessen Wiederwahl sich die Landtagsmehrheit schon positiv geäußert hat. Cui bono, fragt der Lateiner.