Das möchte man als Gesetzgeber nun wahrlich nicht. Für ein Gesetz, das man selbst nicht gewollt hat, vom Bundesverfassungsgericht gezauselt werden, weil das Gesetz verfassungswidrig ist. Wie jetzt der Thüringer Gesetzgeber für eine Novelle des Waldgesetzes, das die Errichtung von Windkraftanlagen in Thüringer Wäldern untersagt.
„§ 10 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Thüringer Waldgesetz ‒ ThürWaldG ‒) in der Fassung des Artikel 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes vom 21. Dezember 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen vom 30. Dezember 2020 Seite 665) ist mit Artikel 14 Absatz 1 und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 18 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig“, heißt es im jetzt veröffentlichen Urteil vom 27. September. Mit aller Macht hatte sich R2G gegen den Entwurf der Liberalen gestemmt, dem die CDU Wucht verlieh. Im Landtag wurde die von FDP und CDU angezettelte Debatte von R2G am 31.1.2020 als Scheindebatte bezeichnet. Kalamitätsflächen im Wald – 100000 Hektar – wurden als geradezu ideale Standplätze für Windräder gepriesen. Dort, wo Borkenkäfer und diverse Stürme gewütet haben, würde so auf einzelnen Flächen kein Baum mehr wachsen. Die seinerzeitige Linken-Waldminister berichtete von Gespräche mit Waldbesitzern, deren Eigentumsrechte geschmälert würden – Karlsruhe führt das auch zur Begründung an. 180000 Waldbesitzer verfügen über 43 Prozent der privaten Waldfläche im Freistaat – 240000 Hektar. Kommunen kommen hinzu, der Bund und das Land. Thüringenforst ist der größte Einzelwaldbesitzer. Aber es gibt zuhauf Besitzer von Kleinstflächen. Aber der Minister führte zwei Freiherren, eine Fürstin und einen ehemaligen niedersächsischen Minister an, die gerne die Möglichkeit hätten, Windräder zu errichten.
Dann kam die übliche parlamentarische Befassung, Ausschusssitzungen, Anhörungen, ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (2/20) wurde eingeholt. So nebenbei, darin steht, dass das Land, in der Angelegenheit keine Regelungskompetenz hat. Der Dienst kam letztendlich zu einer anderen Einschätzung als das Gericht. Doch als immer deutlicher wurde, dass CDU und FDP an ihrem Vorhaben festhalten würden, neigte R2G einem Ja zu.
Die Mehrheitsverhältnisse taten ein Übriges. Ohne Stimmen der CDU – die AfD soll immer außen vor bleiben – kann die Minderheitsregierung parlamentarisch nix ausrichten. „Misery acquaints a man with strange bedfellows“, Verzweiflung treibt einen Mann zu eigentümlichen Bettgenossen, weiß Shakespeare. Und die Verabschiedung eines Landeshaushalts ohne Regierungsmehrheit kann Misery provozieren. Die Grünen, SPD und Linke lehnten inhaltlich ab, stimmten aber absprachegemäß zu. Von fast erpresserischer Manier der beiden Fraktionen war die Rede – so umschreibt man eine Situation, in der man gezwungen ist, etwas zu tun, was man nicht will, weil sonst die Regierungsmacht flöten geht und in der Folge vielleicht das eigene Mandat.
Und jetzt das Urteil, das alles wieder auf Anfang bringt. Eigentlich haben alle bekommen, was sie wollten: FDP und CDU – bis jetzt – ihr Gesetz. R2G half sich mit der Zustimmung über die Unwägbarkeit hinweg, Hals über Kopf in vorgezogene Wahlen gestürzt zu werden. Und bekam nun nachträglich auch noch Recht.
Das alles kann ohne eigene Mehrheit im Parlament geschehen. Da kann die Regierung es gewiss verschmerzen, dass sie den Klägern gegen ein Gesetz, das sie nicht wollte, die Auslagen für den Gang nach Karlsruhe erstatten muss.